Ich erinnere mich gut an den Tag, als wir uns kennenlernten. Bei einer Mappenpräsentation an der Akademie standen wir hinter den Pavillons um Biertische und sahen auf Arbeiten vieler zukünftiger Studierender. Wie sich später, als wir bereits befreundet waren, herausstellen sollte, waren wir beide sehr nervös und beide gingen wir davon aus, dass der jeweils andere sich seiner Sache sicher ist. Eine Arbeit von ihm ist mir gut in Erinnerung geblieben: Es geht darin um das schwarze Schaf in jeder Familie. ----- Ist unsere Emotionalität oder Rationalität wichtiger für die Kunst? Und für die Entstehung und die Rezeption gleichermaßen?
Wir begannen zu studieren und was anfangs noch unbeschwert aus- sah, entwickelte sich in eine Zeit voller absurder, unzusammenhängender Ereignisse, die uns sprachlos zurückließen, obwohl wir so oft Worte zu finden versuchten für das, was uns widerfuhr. Wir sprachen über Pseudonyme, die wir uns aneignen, Metaphern, die wir erst finden und Regeln, die wir brechen müssten. Der Tod seiner Mutter war ein einschneidendes Erlebnis und es war sichtbar, was das mit ihm anstellte. Zu leben, Kunst schaffen zu wollen, während man den Boden unter den Füßen verliert, gestaltete sich zu einer Herausforderung. Wozu Kunst, wenn alles zusammenbricht? Wozu Studienkredite, wenn die drängenden Fragen unbeantwortet im Raum stehen bleiben? ----- Was braucht die Kunst zur Entstehung? Ein Leiden, einen Mangel, die Abwesenheit etwas Ausschlaggebenden, um zu entstehen, zu funktionieren? Braucht sie Unzufriedenheit, ein Fehlen, die Suche nach dem Detail? Braucht sie Einsamkeit? Gefühlte, ausgedachte Nähe? Ein Verschwinden, um neu entstehen zu können?
Eine Zeit lang wohnten wir gemeinsam in einer WG. Es gab dort einen Raum, den wir Whisky-Zimmer nannten. Dort stand auch das Klavier, von dem niemand mehr so genau wusste, wie es da hineingekommen war und auf dessen Tasten immer wieder unzusammenhängende Lieder angespielt wurden. Diese winzige Kaschemme fungierte als Zentrum unseres Zusammenlebens. Was in anderen Wohngemeinschaften die Küche oder ein Wohnzimmer bildete, war in unserem Fall der Raum, in dem wir uns trafen, zusammen setzten, über den Tag sprachen und große Pläne schmiedeten. ----- Wie viel Unsicherheit braucht die Kunst? Wie viel Narzissmus? Muss die Überzeugung, etwas Wichtiges für die Welt schaffen zu wollen, der Angst weichen, das Gesicht zu verlieren? Wie viel Angst verträgt sie?
In Renés Arbeit schwingt ein Wunsch nach Veränderung mit, eine Suche nach Identität, nach einem Ich, das er zwischenzeitlich selbst nicht greifen konnte, das aber immer da war. Es blinzelt eine Unzufriedenheit, eine Wut durch die Werke, sie drängt sich mal lauter, mal leiser in die Bandbreite seines Schaffens. Es bleibt kein Zweifel, dass das, was er tut, von einem ungebändigten Willen herrührt, eine Entwicklung greifbar machen zu wollen und sich selbst zu verstehen. ----- In der Kunst mag man sich so vieler Referenzen und Zitate bedienen; sie wirft uns am Ende immer wieder auf uns selbst zurück. Wie gut, dass es eine Gemeinschaft gibt, die auffängt.
- Anna Hofmann
English:
I remember well the day we met. At an academy portfolio presentation we were standing around beer tables behind the pavilions looking at the works of many future students. Later, once we’d become friends, we discovered that we’d both been very anxious and we’d both assumed the other to be completely self-assured. I remember one of his works in particular. It was about the black sheep in every family. ----- Is our emotionality or rationality more important for art? And likewise for creation and reception?
We began to study and what initially seemed to be easygoing, developed into a period packed with absurd unconnected events that left us speechless, although we so often sought words to describe what was happening to us. We talked about pseudonyms we had to adopt, metaphors we had to invent first and rules we had to break. The death of his mother was a traumatic experience and it was obvious how deeply it affected him. Living and wanting to create art when the ground has just given way beneath you became a challenge. What use is art when everything is falling apart? What is the point of study credits if the pressing questions remain unanswered? -----What does it take to create art? Suffering, a shortcoming, the absence of something crucial for it to come about, to function? Does it thrive on dissatisfaction, a want, the quest for detail? Does it need loneliness? Felt, contrived closeness? A disappearing to make way for something new?
For a while we shared a flat. It had a room we called the Whisky Room. There was a piano in it. No-one remembered exactly how it got here and we used to play random songs on it. This tiny den was the hub of our co-existence. In other shared fats, this function was often fulfilled by the kitchen or a living room, in which we met, sat down together, talked about the day’s events and forged great plans. ----- How much uncertainty does art need? How much narcissism? Must being convinced that you want to do something important for the world necessarily yield to the fear of losing face? How much fear can conviction withstand?
René’s works are stirred by a desire for change, a search for identity, for self that he himself was temporarily unable to grasp, but that was always there. The works shimmer with discontent, anger, sometimes echoing louder, sometimes more quietly, across his creative work. There is no doubt that he is driven by an unbridled will to make a development tangible and to understand himself. ----- In art, no matter how many references and quotations we use; in the end it all comes back down to ourselves. How lovely that there is a community to support us.
- Anna Hofmann