Wenn ich in Flüsse pisse
Wenn ich in Flüsse pisse
und meine Gedanken in deine Richtung richte
dann kannst du vielleicht einen Gedanken in dir spüren
welche nicht von dir selbst zu kommen scheint.
Ich denke oft ans „in Flüsse pissen“
und werde es wohl bald wieder tun.
Der Drang dich damit zu erreichen
oder den Lauf des Flusses damit zu verändern
ist einfach zu groß und ich kann nicht widerstehen.
Meine Vorfahren werden sich in ihren Mittelschicht-Gräbern umdrehen
und sich wünschen, niemals Kinder gezeugt zu hätten, damit es mich nicht geben würde.
Ich bin mir keiner Schuld bewusst und diese Vorfahren sind mir auch egal.
Bisher ist auch nichts Außergewöhnliches von ihnen zu mir vorgedrungen.
Also, warum sollte ich an sie denken.
Meine Pisse ist nun wohl irgendwo angekommen.
Ich kann nur hoffen, dass sie dort, wo auch immer das sein mag,
einen guten Platz für sich gefunden hat und dass sie dort
jemanden findet, dem sie vertraut.
Hudson River Blues
Es waren die unberührten Stunden heute morgen, die mich ohne Liebe auskommen ließen. Die Luft war von feuchtem, grasigem Geschmack bedeckt und die Sonne kroch hinter Baumkronen empor, hüllte verschiedenste Dächer in ihr orangenes Gewand und erfüllte somit mein Gemüt mit Freude. Diese alte Dame vermag es, mich glücklich zu machen. Ob sie sich dessen bewusst ist? Ob ich mir dessen bewusst bin? Ich gehe also die leeren Straßen entlang und beobachte ein paar Reiher die sich im nahen See niedergelassen haben um ihren Trieben nachzugehen, als plötzlich ein Gedanke mich von Innen zerfetzt.
Mir schießt das Blut in die Augen und ich kann nur noch schlecht sehen, was um mich herum passiert. Der Schmerz kam so plötzlich und unangekündigt, ich konnte mich nicht auf den Beinen halten und musste, auf allen vieren, zur nächsten Bank kriechen. Weit und breit war kein Mensch in Sicht und so lag ich nur da und wartete darauf, dass dieser Gedanke mich meines Lebens beraubt und so das ganze Theater beenden würde. Es vergingen Minuten die sich wie Stunden anfühlten und ich war immer noch da. Der Schmerz ließ mal ein wenig nach, nur um dann Anlauf zu nehmen und kurze Zeit später nochmals mit voller Wucht zuzuschlagen. Ich krümmte mich vor Schmerzen und kein Ton verließ meine Lippen.
Auf dem See neben mir versammelten sich allerlei Vögel um zu beobachten, wie ein Mensch stirbt. Es müssen an die 200 Tiere gewesen sein. Von überall her kamen weitere Vögel angeflogen um Teil dieses unwirklichen Moments zu werden. Ganz still und fast ohne Bewegung starrten sie zu mir rüber. Wenn ich ihnen in diesem Moment etwas sagen könnte, sie hätten es verstanden. In diesem bizarren Augenblick war alles möglich. Die Weltenseele war gekommen und hatte alle Filter, alle Grenzen entfernt um an mir ein Exempel zu statuieren. Es war 05:49 und ich war dort.
Ungewollt in die Vernichtung gerutscht
Bandenkriege sind das Ergebnis fehlender Liebe.
Wir alle sollten uns einer Seite anschließen
nur um dann die andere Seite zu vernichten.
Es ist dabei egal wer auf welcher Seite steht
es geht nur darum, die Liebe zu finden
indem wir andere Seiten vernichten.
Ich greife also zur Waffe um der Liebe zu entkommen
und alles was ich mit ihr berühre, zerfällt zu Fleisch
Es gibt keinen Moment, in dem ich Angst verspüre
und keine Stunde, die ohne Blut auskommt.
Alles stirbt auf die gleiche Weiße.
Am nächsten Tag werden andere Menschen sehen
was wir hier angerichtet, was wir erschaffen haben.
Ein Meer aus Blut und Fleisch, ein Haufen Müll dazu.
Ein Heiliger durchquert die Reihen auf der Suche
nach der letzten Sünde, nach der Erlösung durch sie
aber er kann nichts finden, hat den falschen Tag gewählt.
Nun, da diese Geschichte in euren Büchern steht
und eure Menschen Lieder darüber singen
kann ich mich als glücklichen Mann bekennen,
war ich doch auf einer der Seiten
und bin dann der anderen zugekehrt.
Des Wachmanns Grenzen überschritten
Veränderungen im Umfeld machen Veränderungen sichtbar. Warum bin ich so wie ich bin und warum bin ich nicht so? Alles hier ist mir fremd und trotzdem kehre ich immer wieder hier her zurück, mit neuem Blick als würde ich etwas Bestimmtes suchen. Der Wachmann kennt mich schon und grüßt mit schwacher Geste. Hinter der Grenze sieht die Gegend plötzlich ganz anders aus. Als ich ihn mal gefragt hatte woher das kommt, konnte er mir keine Antwort geben. Er sei nur der Wachmann und interessiere sich nicht viel für die Geschichte dieser Gegend. Er erzählte mir dann auch von seiner Frau und den Kindern, von denen er fünf hatte. Sie würden weit entfernt wohnen und er hätte kaum Kontakt zu ihnen, sendet aber regelmäßig ein Drittel seines Gehalts an sie. Sie sollen auf gute Schulen gehen, damit sie eines Tages nicht auch als Wachmänner enden. Es waren fünf Söhne. Seine Geschichte vertiefte er jeden Mal, wenn ich abends an seinem Posten vorbeikam und mich zu ihm setzte, auf einen Tee und ein paar Zigaretten.
Dieses Ritual vollzogen wir zwei Jahre lang bis ich, eines ruhigen Oktoberabends mal wieder an seinem Posten vorbeikam und ein anderer Mann seine Stelle übernommen hatte. Als ich ihn fragte, sagte dieser nur, dass der vorherige Wachmann gekündigt wurde, weil er die falschen Leute über die Grenze gelassen hatte. Ich hatte keine Energie mehr um dieses Ritual von vorne beginnen zu lassen und so weiß ich bis heute nichts, über den neuen Angestellten. Er lässt mich zwar immer durch, will aber jedes Mal meine Papiere sehen, bevor er mich passieren lässt. Er scheint recht jung, unerfahren und ist daher sehr penibel und noch unsicher, was seine Aufgaben angeht. Warum ist er so wie er ist, und warum ist er nicht so wie ich es bin?
In den nächsten zwei Jahren hielt ich jeden Tag Ausschau nach einem anderen Übergang, nach einem anderen Wachmann aber ich wurde nicht fündig und so wurde ich irgendwann der Kontrollen müde wodurch ich bald nur noch selten auf die andere Seite ging um dort meine Arbeit zu verrichten. Vielleicht ist der alte Wachmann jetzt bei seiner Familie, denke ich mir oft, ohne zu wissen, ob seine Geschichten überhaupt wahr waren. Er hätte mir alles erzählen können. Durch seine authentische Art hätte man ihm alles geglaubt. Nun, es ist bald Winter und eh zu kalt nach draußen zu gehen und so sitze ich nun hier und schreibe diesen Text um meine Erinnerungen an diese Zeit nicht verschwinden zu lassen, so wie er verschwunden ist.